„Aus den Röhren floß in dickem Strahl der süße junge Most, rotgelb und in der Sonne lachend; wer herzukam und es ansah, mußte um ein Glas bitten und schnell eine Probe kosten, dann blieb er stehen, bekam feuchte Augen und fühlte einen Strom von Süßigkeit und Wohlbehagen durch sich hindurchgehen. Und dieser süße Most erfüllte die Luft weitherum mit seinem frohen, starken, köstlichen Geruch. Dieser Duft ist eigentlich das Feinste vom ganzen Jahr, der Inbegriff von Reife und Ernte, und es ist gut, ihn so vor dem nahen Winter einzusaugen, denn dabei erinnert man sich mit Dankbarkeit an eine Menge von guten, wunderbaren Dingen: an sanfte Maienregen, rauschende Sommerregen, kühlen Herbstmorgentau, an zärtlichen Frühlingssonnenschein und glastend heißen Sommerbrand, an die weiß und rosenrot leuchtende Blust und an den reifen, rotbraunen Glanz der Obstbäume vor der Ernte und zwischenein an alles Schöne und Freudige, was so ein Jahreslauf mitgebracht hat.“ Hermann Hesse, Unterm Rad
Was Hermann Hesse da in seinem Roman beschreibt, trifft die Stimmung die mich im Herbst beim Apfelsaftpressen Jahr für Jahr überkommt, auf den Punkt. Das heurige Jahr hat uns genug Äpfel beschert, dass wir gut und gerne auch zur Obstpresse hätten fahren können und unsere Äpfel einfach pressen lassen könnten, aber nichts schmeckt so gut, wie etwas, das man aus eigener Arbeit selbst gewonnen hat. Wir wählten also den traditionellen Weg, der mittlerweile bei uns zur herbstlichen Tradition geworden ist.
Über die Jahre hat sich das Saftpressen auf unserem Hof um vieles weiter entwickelt. Unsere Presse ist von einem kleinen Hobbygerät, das wir vom Nachbarn geliehen hatten, zu einer stattlichen Saftpresse herangewachsen. Wir haben unsere Abfülltechnik verfeinert, so dass der pasteurisierte Saft mittlerweile wirklich heiß in die Flaschen gelangt und keine mehr gärt und explodiert. Und wir hatten dieses Jahr so viele Äpfel, dass das Saftpressen zu einer wirklich harten Arbeit geworden wäre, hätten wir nicht so viele helfende Hände gehabt, die uns tatkräftig unterstützt haben.
Das Wetter unseres Apfelfestchens hätten wir uns nicht besser wünschen können. Der Herbst zeigte sich von seiner sonnigsten und farbenfrohsten Seite, was unserer guten Laune ausgesprochen hilfreich war.
Von zehn Uhr Morgens weg, als die ersten Gäste eintrafen, wurden Äpfel gewaschen, gehäckselt und in die Presse gefüllt. Nach harter Arbeit sah es eigentlich nicht aus, denn fröhliche Plaudereien, Scherze und Gelächter schallten über den ganzen Hof.
Natürlich wurde nicht nur gearbeitet, auch das kräftige Mittagessen, bestehend aus Chili und Zuccinicremesuppe, mit Gemüse aus dem hauseigenen Garten versteht sich, haben wir uns schmecken lassen. Der leckere hausgemachte Nusskuchen zur Kaffeepause soll hier ebenfalls nicht unerwähnt bleiben.
Es war schon spät am Abend, als nach getaner Arbeit auch die letzten Gäste mit ihrem selbst gepressten Apfelsaft nach Hause gingen.
Das Ergebnis waren etwa 300 Liter Apfelsaft, von dem wir auch bei der Arbeit schon jede Menge probiert haben.
Es erfüllt mich jedes Jahr mit Staunen, welch reichen Überfluss die Natur uns schenkt und ich hoffe auf viele weitere solche Jahre, in denen wir uns zum Arbeiten, Essen und Feiern treffen, oder wie man es in Rumänien nennt, zum Kaláka.