Das Wunder des Lebens

– ein kleines Eselchen entdeckt die Welt

Anfang September bin ich nach ein paar erholsamen Sommerurlaubs-Ausflügen noch einmal aus meinem Zimmer ausgezogen. Diesmal aber nicht weit weg, sondern nur vors Haus in ein Zelt. Wer sich jetzt fragt, warum ich trotz Regenwetter und nicht mehr den gerade wärmsten Temperaturen noch einmal Campen gehe: Es war wohl kein plötzlicher Anfall von Natursehnsucht, der mich dazu gebracht hat, denn Natur haben wir auf unserem Hof auch so genug. Ich habe vielmehr Wache gehalten, denn irgendwann im September sollte laut unseren Berechnungen ein Neuzugang auf unseren Hof kommen. Der ließ Gott sei dank nicht lange auf sich warten, denn bereits am 4. September in der Morgendämmerung war es soweit. Ich wurde wach, als sich – noch im Dunkeln – im Eselstall eine eher seltene Unruhe erhob. Kurz darauf waren alle auf den Beinen.

Während sich unsere stolze Mami Rosalie noch von den Strapazen der Geburt erholte, schließlich hat sie den größten Teil der Arbeit ganz alleine gemacht, versuchte unsere kleine Selda bereits, ihre vier langen dünnen Beinchen unter Kontrolle zu bringen um aufzustehen.

Das, wofür ein Mensch ein ganzes Jahr braucht, lernte unser Eselbaby in kaum einer Stunde. Die Sonne war noch nicht einmal ganz aufgegangen, als Selda schon ihre ersten tapsigen Schritte machte.

Gegen Nachmittag konnten wir Selda schon bei den ersten zaghaften Hopsern erleben und sie konnte sogar schon rufen wie ein richtiger Esel.

An ihrem zweiten Lebenstag war unser Eselfohlen plötzlich ein bisschen scheu. Während sie am ersten Tag fröhlich alles erkunden wollte, was sich bewegte, wusste sie jetzt schon, wer ihre Mama war und wen man erst einmal misstrauisch beäugen muss, bevor man sich nähert. Dass von uns keine Gefahr droht, wusste sie aber am Abend auch schon wieder und jetzt lässt sie sich von allen Besuchern gerne bewundern und auch streicheln. Zumindest wenn sie gerade Lust hat, denn Selda ist mittlerweile schon so ein richtiger Esel und hat’s faustdick hinter ihren langen Ohren.

Wenn Selda auf die große Wiese darf, galoppiert sie schon fleißig mit Papa Benjamin und Onkel Joshua um die Wette und will oft gar nicht mehr zurück ins Gehege, auch wenn Rosalie schon drinnen auf sie wartet. Heute darf Selda zum ersten Mal mit auf eine richtige Eselwanderung und ich bin sicher, unser kleines freches Eselchen wird da jede Menge Spaß haben.


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