Vertrauen auf das, was werden will

Wer kennt es nicht, dieses Gefühl gegen Ende des Winters, wenn wir es kaum mehr erwarten können, wieder die warme Sonne und die laue Frühlingsluft zu genießen, die ersten Blumen und fröhlich gaukelnde Schmetterlinge zu bewundern. Kaum vorstellbar erscheint dies, während wir dick eingemummt durch den Schnee stapfen. Und doch vertrauen wir Jahr für Jahr fest darauf, dass es auch diesmal wieder Frühling werden wird.

Freilich – WIE genau sich uns dieser noch zu kommende Frühling präsentieren wird, WELCHE Blumen WANN erblühen werden, das bleibt uns vorerst verborgen. Wir könnten zwar den Schnee zur Seite schaufeln und das Eis mit einem Warmluftföhn wegschmelzen, wir könnten versuchen auch im Freien zu heizen und wir könnten Lichter anzünden um die Tage länger zu machen, wir könnten sogar versuchen, die Blumen zu einem schnelleren Aufblühen zu bewegen, indem wir sie bestrahlen und wärmen. All das – was bei genauerem Hinsehen heute durchaus auch versucht wird – würde aber dennoch keinen Frühling machen, es würde ein jämmerlicher Versuch bleiben, den Frühlich herbei zu zitieren.

Letztendlich müssen wir uns schlicht und einfach darauf verlassen, dass DAS kommen wird, was werden WILL.

Diese Metapher aus der Natur lässt sich leicht auf unseren Umgang mit anderen Lebewesen übertragen. Mitunter ist es sogar kein Bild mehr für etwas, sondern schon Realität geworden, denn wir streben doch tatsächlich danach im Winter Erdbeeren, Tomaten und Gurken zu essen, obwohl wir doch nur ein wenig auf den Sommer warten müssten.

Unser Umgang mit Tieren und anderen Menschen erinnert oft stark an dieses Bild des Herbeizitieren-Wollens. Wir wollen andere gestalten, erziehen und in eine bestimmte Richtung lenken, statt genau hinzuspüren und dem Raum und Zeit zu geben, was WERDEN WILL. Dies wird im täglichen Miteinander oft sehr deutlich, inbesondere wenn es um sogenannte „Erziehungsverhältnisse“ geht, wenn also pädagogisch Tätige am Werk sind.

Nicht umsonst wird LehrerInnen gerne nachgesagt, dass sie immer zu wissen glauben, was ihre SchülerInnen „wollen sollen“. Diese „Berufskrankheit“ trifft wohl nicht nur auf LehrerInnen zu, sondern auch auf pädagogisch Tätige im Allgemeinen, seien dies nun Eltern oder professionelle PädagogInnen.

Wie oft werden Kinder und Jugendliche mit genauen Vorstellungen konfrontiert, wie und was sie denn nicht alles zu machen hätten, damit aus ihnen „etwas Ordentliches“ wird. Obwohl dies zumeist aus durchaus wohlmeinenden Gründen geschieht, wird nur selten daran gedacht, die „Objekte der Erziehung“ zu befragen. „Fragen“ heißt in diesem Zusammenhang nicht unbedingt tatsächlich mit Worten zu fragen, sondern vielmehr eine fragende Haltung einzunehmen, die offen ist für das, was den anderen Menschen bewegt, interessiert und antreibt.

Diese offene Haltung gegenüber dem, was WERDEN WILL, ist notwendig um (jungen Menschen) die Möglichkeit zu geben, ihren eigenen Weg finden und zu gehen. Es ist eine wahre Kunst, dieses „Loslassen können“ und den den „Dingen ihren Lauf“ nehmen zu lassen, denn es darf keinesfalls mit einer Haltung der Gleichgültigkeit, des „Laissez-Faire“ oder gar des  „im Stich Lassens“ verwechselt werden.

Ebenso wie die Pflanzen im Nutzgarten passende Bedingungen für ein gutes Gedeihen vorfinden müssen, so braucht jedes Lebewesen, jedes Tier und jeder Mensch passende Bedingungen, einen passenden Rahmen in dem er/es sich gut entwickeln kann. Es obliegt den Erziehenden, für die optimalen Rahmenbedingungen zu sorgen, in denen sich ein ihnen anvertrautes Lebewesen zu dem entwickeln kann, was in seinem Innersten verborgen ist.

WOHIN es sich entwickelt, entscheidet letztendlich jedes Individuum für sich selbst!

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